Mein Blick fällt wieder auf diesen Zettel. Da stet nichts besonderes drauf, aber für mich steht er für eine Hoffnung, einen Wunsch und eine Sehnsucht, die jetzt hier gar nichts zur Sache tut. Immer wieder laufe ich an ihm vorbei, mein Blick wird von ihm eingefangen und immer wieder durchzuckt es meine Hand und ich denke: „Ach komm, wirf ihn doch in den Müll. Dann musst du nicht mehr daran denken und wirst nicht enttäuscht. Das klappt doch sowieso wahrscheinlich nicht.“
Ich räume erstmal weg was ich in den Händen halte. Der Eimer mit dem ich gestern das Wasser zu den Hühnern getragen habe und dabei kurz an den Winter denken musste, wenn ich warmes Wasser raus tragen werde, weil es draußen friert. Was wird bis dahin wohl passiert sein? Ich muss lächeln, es wäre doch zu schön … Aber es ist wahr, ich denke zu viel daran und frage mich immer wieder, ob sich das Hoffen überhaupt lohnt. Ich nehme den Zettel auf dem eigentlich nichts steht und der doch meine Hoffnung trägt. Ich will ihn loslassen.
Ich nehme ihn symbolisch in meine Hände. Jetzt ist ja niemand hier, der das sehen könnte. Das wäre mir peinlich. Hier ist meine Hoffnung ja ganz heimlich. Ich schließe meine Augen zum Beten und will ihn innerlich Jesus geben. So habe ich das lange gemacht und es hat mir immer gut getan, meine Pläne und Wünsche abzugeben. „Dein Wille geschehe“ zu sagen, in dem Vertrauen, dass er mein Bestes im Sinn hat. Ich konnte so Loslassen und Annehmen was kommt. Ich habe fest daran geglaubt, dass Gott persönlich sich kümmert – um mich bekümmert ist – und, dass ich mir deshalb keine Sorgen machen muss.
Und als ich meinen Hoffnungszettel gerade innerlich übergeben wollte, hatte ich den Eindruck, dass Jesus ihn langsam und liebevoll zu mir zurück schiebt. „Du schaffst das. Ich vertraue dir.“ Ich bin erstmal platt. Sprachlos. Wie bitte? Ich bin fast ein bisschen vor den Kopf gestoßen. Und gleichzeitig fühle ich mich geehrt. Als wäre ich plötzlich erwachsen.



Dieser Moment beschreibt, in welche Richtung mein Glauben in den letzten Jahren gewachsen ist. Gott vertraut mir. Darüber habe ich noch nie eine Predigt gehört. Vielleicht müsste ich mal eine halten. Aber erstmal halte ich hier meinen Zettel. Meine Hoffnung. Meine Verantwortung. Meine Freiheit. Meine Entscheidung. Er traut mir das zu. Dass ich meine Träume und Hoffnungen angehe, er traut mir die Gespräche und das Risiko und auch die Enttäuschung zu. Er traut mir mein Leben zu.
Abends sitze ich im Auto auf dem Weg zu einem Leitungstreffen in meiner Kirche. Ich habe ein Bauchgefühl und einige Beobachtungen, die ich teilen möchte. Doch es sind nun meine Beobachtungen, vielleicht liege ich auch falsch. Oder sind meine Bedenken hier zu sehr aus den Wunden meiner Vergangenheit gewachsen. „Ich vertraue dir.“ flüstert es in meinem Herzen. Mein Gottvertrauen ist gegenseitig. Und das fühlt sich verrückt an. Und frei. Natürlich vertraue ich Gott. Ich bin mir da schon wirklich sicher, dass er mich hält und liebt. Doch langsam verstehe ich, dass das Vertrauen beidseitig ist. Gott traut mir mein Leben zu und das finde ich wirklich beeindruckend, denn er könnte das doch alles besser. Aber darauf geht’s vermutlich gar nicht.
Er traut mir zu zu entscheiden was ich will und was nicht. Er traut mir meine Kinder zu, meine Ehe, meine Familie, meine Vergangenheit und meine Zukunft und seine Kirche. Er traut mir zu, dass ich das gut mache.
Abends komme ich spät nach Hause. Die Küche ist leer und sauber und neben der Kaffeemaschine liegt noch mein Zettel. Nein, den werde ich niemals in den Müll werfen. Egal, ob ich es schaffe meine mit ihm verbundenen Hoffnungen in die Realität umzusetzen. Auf diesem Blatt steht etwas unbeschreibliches. Es erinnert mich an etwas, das ich nicht vergessen möchte: Ich habe Gottvertrauen. Gott vertraut mir.